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Auswanderer nach Südosteuropa von 1720 bis 1803 Lister der Auswanderer als PDF
Vor der Auswanderung mussten diese Leute erst bei den Behörden "reinen Tisch machen", das heißt ihre Schulden tilgen und Streitigkeiten schlichten, worauf sie ihren ehrlichen Abzug erhielten. Von dem reinen Vermögen, das sie außer Landes brachten mußten sie die übliche Nachsteuer oder Abzugsgebühren an die Herrschaft und mancherorts auch an die Gemeinde entrichten. Die Höhe der Nachsteuer wurde in jedem Gebiet anders berechnet. Die Nachsteuerpflicht galt für alle, für Freie und für Leibeigene. Letztere hatten noch die Verpflichtung, zuvor ihre Manumission d.h. die Entlassung aus der Leibeigenschaft zu erkaufen. Bis zum Jahre 1706 wurde im Kurmainzischen für Manumission ein Satz von 5 v.H.erhoben, von Dezember 1706 an lag der Satz bei 15 v.H.für alle außerhalb kurmainzische Gebiete ziehenden Leibeigenen, mit der Absicht den Abzug zu erschweren. Durch Sonderverträge mit den Nachbarstaaten waren die Manumissions- wie die Nachsteuergebühren im Wege der Gegenseitigkeit erheblich gemildert. Wo solche Vereinbarungen nicht bestanden, wurden die Sätze in voller Höhe erhoben, so dass also auswandernde kurmainzische freie Leute 10 v.H. , Leibeigene dagegen 25 v.H. ihres reinen Vermögens durch die Auswanderung verloren. Diese Sondersteuern flossen an die Hofkammer. Daneben wurden aber in den einzelnen Ämter noch verschiedene Abgaben unterschiedlicher Höhe erhoben. Diese betrugen z.Bsp. in der Oberkellerei Aschaffenburg (1775) pro Kopf 5 fl und im Amt Lohr a.M. je 3 fl 25 xr . In der Regel haben sich die Rechnungsbeamten die Mühe gespart, die Namen von mittellosen Auswanderern sowie von solchen denen die Nachsteuer geschenkt wurde, zu vermerken. Es ist ein Ausnahmefall, wenn der Amtskeller von Lohr in seiner Rechnung des Jahres 1741 nach der Aufzählung von 6 Auswanderern aus dem Orte Frammersbach noch 5 "Bettelleute" nennt: Frantz Andreas, Imhof Jakob, Racken Johann (Witwe), Schwartzkopf Friedrich und Wagner Friedrich, deren Ziel ebenfalls Ungarn war. ( siehe Auswanderungsliste ) Es gab auch Erbauseinandersetzungen unter Geschwistern mit den daheim gebliebenen, die mit Hilfe des Gerichts geschlichtet wurden.
Dazu ein Beispiel: " Da erschien am 29.November 1747 Hans Michel Imhoff von Frammersbach ( siehe Liste Nr.64), modo zu Zicku in Ungarn wohnhaft, und klagte gegen seinen Bruder Johann Imhoff zu Frammersbach: es sei ihrer beiden Bruder Adam Imhoff in Ungarn verstorben da nun Beklagter dessen zu Frammersbach bei Matthes Imhoff deponierte 25 fl aufgehoben und dem Verstorbenen annoch 20 fl schuldig sei, also dessen Habschaft sich auf 45 fl belaufe, also wollte er gebeten haben, da ihrer 4 Geschwister seien, ihm seinen Anteil mit 11 fl 45xr extradieren zu lassen. Der Beklagte stellte verschiedene Gegenforderungen, deren Nichtigkeit aber erwiesen wurde schließlich wollte er seinen Anteil an dem Vermögen, das seine Mutter in Ungarn hinterlassen habe, aber der Kläger wies nach, daß seine beiden anderen Geschwister in Ungarn den geringen Betrag von 30 fl mit dem Einverständnis des Beklagten an sich gezogen und die Mutter dafür gehalten hätten. Endlich mußte Johann Imhoff zugeben, seinem Bruder Hans Michael noch 11 fl 31xr "uxorio nomine" schuldig zu sein. Nach Vorlage der amtlichen Totenscheine durch den Treuhänder des Klägers wurde der Beklagte am 12.2.1749 verurteilt, die Summe von 29 fl 56xr "sub poena executionis" binnen 4 Wochen zu bezahlen. "
Wie sich die Sondersteuern für die Auswanderer auswirkten, möchte ich an einem Beispiel aufzeigen. Als im Jahre 1803 Johann Adam Fix von Edelbach im kurmainzischen Amt Kaltenberg nach Ungarn ziehen wollte, blieben ihm von einem Rohvermögen von 494 fl , nach Abzug der Schulden noch 293 fl übrig. Davon hatte er für seine 4 Köpfe starke Familie 22 fl 4 xr Kopfgeld, 1 fl Taxe und 4 fl 13 xr sogenannte Vogteigebühr zu bezahlen. Somit besass er noch 267 fl 13 xr Bargeld. Davon hatte er die 15 v.H. für den Freikauf aus der Leibeigenschaft ( 40 fl 4½ xr ) zu entrichten und vom Rest weitere 10 v.H. ( 22 fl 42 xr ) als Nachsteuer. Er verzichtete aber darauf, den Freikaufschein aus der Leibeigenschaft auszulösen und verließ heimlich das Land, um mit diesem Geld seine Reise zu finanzieren.
Im Jahre 1803 drohte im Amtsort Frammersbach eine Massenauswanderung. Etwa 2 Dutzend Familien mit insgesamt 133 Köpfen wollte nach Ungarn auswandern. Im Zusammenhang mit der stärkeren heimlichen Abwanderung aus anderen Teilen des Vizedomats Aschaffenburg sah sich die Regierung veranlaßt, durch eine eigene Kommission die Hintergründe dieser Bewegung zu untersuchen. Hofrat Cunibert kam dabei zu folgendem Gutachten. Die Hauptursache sei, " in den von Seiten des kaiserlichen Hofes den ausländischen Ansiedlern in Ungarn neuerlich wieder zugesicherten und durch die kaiserlichen Gesandtschaften im Reich allgemein bekannt gemachten sehr einladenden und vorteilhaften Vergünstigungen, Freiheiten und Unterstützungen, welche, falls der Erfolg der reizenden Außenseite dieser Vergünstigungen vollkommen entsprechen sollte, für die künftige Bevölkerung von Deutschland von sehr nachteiligem Einfluß und Folgen werden könnte." Nach dem Lohrer Amtsbericht vom April 1803 sind den nach Regensburg geschickten Frammerbacher Deputierten von der kurbömischen Gesandtschaft namens des kaiserlichen Hofes folgende Vergünstigungen zugesichert worden:
1.Lebenslängliche Befreiung vom Militärdienste für sich, Kinder, Knechte und Gesellen, 2.Befreiung von aller militärischen Einquartierung auf 10 Jahre, 3.Befreiung von allen Landes- und fürstlichen Abgaben auf 10 Jahre, 4.Befreiung von grundherrschaftlichen Abgaben auf 3, 4, 6 und mehr Jahre, 5.Volle Religionsfreiheit, 6.Ackerleute erhalten auf (= an) 60 - 80 Metzen ( = Morgen ? ) Grundstücke eigentümlich, Professionisten aber auf 12 Metzen unentgeltlich, 7.Haus- und Gartenplatz, 8.Baumaterialien, 9.Freiheit von aller Fron, 10.Befreiung von allen Laudemialgebühren ( Handlohn ), 11.Professionisten erhalten Bürger- und Meisterrecht unentgeltlich.
Diese Vorteile können kurfürstlicherseits nicht zugesichert werden und machen auf Leute in ärmlichen Verhältnissen einen grossen Eindruck.
" Der wohlhabende, arbeitssame, in seinem Vaterland sein zureichendes Auskommen findende Untertan denke wohl selten oder gar nicht an die Verwechslung seiner Heimat mit einem fremden, auswärtigen Himmelsstrich." Es handle sich bei den Auswanderungsgesuchen "gewöhnlich um solche Untertanen, welche entweder durch harte Zeitumstände, traurige Schicksale, Verfolgung oder durch Trägheit, Liederlichkeit oder sonstiges eigenes Verschulden in solche unglückliche Vermögensumstände geraten sind, daß ihnen in ihrer Heimat zum Unterhalt und zur Ernährung keine Mittel übrig blieben, welche sie aber durch die zugesicherten Vergünstigungen im fremden Land erhofften.
Bei Abwägung der Vor- und Nachteile, fällt der Vergleich zu gunsten der Auswanderung aus, weshalb die betreffenden Leute alles, was möglich sei, versilberten und ungeachtet aller Verordnungen und Strafen heimlich auswanderten. Alle Verbote, Strafen, Vermögenskonfiskationen und Gewaltmittel verfehlten ihren Zweck. Im Lohrer Amtsbericht wurde betont, der Mangel an Verdienst, die Brotteuerung, der Geldmangel, Mangel an Saatgut und die starke Schuldenlast sind die Hauptursachen des Auswanderungsfiebers. Den meisten könne nichts schlechtes nachgesagt werden, nur einigen sei ein Hang zum Trunk zur Last zu legen. Die Nahrungsquellen reichten infolge der angewachsenen Schulden und gestiegenen Preise nicht mehr aus und es ist wirklich schwer ihnen zu einem besseren Nahrungsstand zu verhelfen, auch die Übervölkerung trägt dazu bei. Der Gutachter meint wirksame Mittel gegen die Auswanderungssucht bestünden nur in den inneren glücklichen Verhältnissen eines Staates. *)
Protokoll (Abschrift)wegen Auswanderung 1765 in Frammersbach 14.April 1765 " Erschien Lorentz Rüth und machte die geziemende Ansuchung ihm ein Attestat zu ertheilen, damit er sich, weil er sich hier nicht mehr ernähren könnte, die Ledigschaft erhalten mögte um in das Königreich Ungarn ab zu ziehen.
Conclusum Da dem Gericht nur zu wohl bekand daß Lorenz Rüth, mit seinem Gespann Fuhrwerk also herunder gekommen daß sich derselbe, wegen großen Schuldenlast, nicht mehr dahier zu ernähren im Stand, als wird ihm daß angesuchte Attestat von Gerichts wegen ertheilet." (Nr.95 in Auswandererliste)
" Erschien gleichfalls Friederich In der wiesen und thate die geziemende Ansuchung ihm ein Attestat zu ertheilen damit er, weil er sich nicht mehr ernähren könnte die Ledigschaft erhalten mögte umb in das Königreich Hungaria ab zu ziehen.(Nr. 67 in Auswandererliste)
Conclusum Da dem Gericht gar wohl bekand daß Friedrich In der wiesen in einer solchen großen Schuldenlast gerathen, das er sogar seine Profession als Schmied nicht mehr treiben kann, sich auch so weniger mit Weib, und 5 Kinder dahier ernähren kann, also wird ihm das angesuchte Attestat von Gerichtswegen ertheilet."b)
Zum Schluß noch ein paar Gedanken betreff der Auswandererliste: Es wanderten von Frammersbach von 1720 bis 1803 ohne jene, die namentlich nicht erfaßt wurden ,148 Personen aus. Davon siedelten zwischen 1720 und 1752 in dem ungarischen Ort Mecseknádasd ( Nadasch ) 44 Personen, dazu nachweislich noch 17 Kinder von 4 auswandernden Ehepaaren. Es ist anzunehmen, daß weitere 3-4 Ehepaare der Nadaschsiedler mit etwa 10 Kindern auswanderten , insgesamt also 71 Personen. Die auswandernden Paare hatten in der neuen Heimat oft noch mal 3 bis 5 Kinder, und die Frammersbacher, die in Nadasch erst heirateten, bis zu 8 u. 9 Kinder. Zieht man von diesen Geburten, die Sterbefälle zwischen 1720 - 1752 ab, so dürften 1752 mindestens 70 bis 75 ehemalige Frammersbacher in Nadasch gelebt haben.
Nimmt man die Statistik von " Hengl " zur Hand so war der Einwohnerstand von Nadasch 1752 -Deutsche 96 - und Ungarn 4 Personen ( wahrscheinlicher jedoch waren es 96 deutsche Familien und 4 ungarische Familien)- somit waren etwa 70 bis 75 % der Einwohner von Nadasch ehemalige Frammersbacher und man könnte Nadasch (beinahe) als eine " Frammersbacher Niederlassung oder Filiale " in Ungarn bezeichnen.
Auch in verschiedenen Nachbarorten von Nadasch siedelten ehemalige Frammersbacher, so zum Beispiel in Cikó, Szür, Pécsvárad, Himesháza, Óbànya u.s.w.
Zu Balthasar Amrhein Nr. 2 noch eine Anmerkung. Balthasar, geboren 3.2.1668 in Frammersbach heiratete am 2.3.1699 in Frammersbach Magdalene Goßmann. 2 Kinder aus dieser Ehe fand ich bei meinen Vorfahren, Maria Amrhein * 2.11.1702 und Johann Michael Amrhein * 29.11.1710. Balthasar ist wahrscheinlich um 1720 allein nach Ungarn ausgewandert. Seine Kinder und seine Frau blieben in Frammersbach. Im Jahr 1728 kam eine Nachricht aus Ungarn (Eintrag im Frammersbacher Pfarrmatrikel) 6. Augusti litere ex Hungaria de Nádasd venerunt dicentes quod Balthasar amräin ibidem 6to May 1728 pie obierit. übersetzt: Am 6. August kam ein Brief (Schreiben) aus Nádasd in Ungarn und die Leute sagten, daß Balthasar Amrein am 6. Mai 1728 fromm gestorben sei. Auch Friedrich Schwarzkopf Nr.105 befand sich unter meinen Vorfahren - er wanderte ca 1741 nach Ungarn aus, doch konnte ich von ihm bis jetzt noch keine weiteren Hinweise finden.
© 10.07.2003 Hugo Friedel
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